Bild von der Gedenkseite für Kamilla Nagy

Kamilla Nagy

* 31. Mai 1982 † kbo iak Haar 31. Mai 2022
DIE SINNLOSIGKEIT
Vor einem Jahr, am 31. Mai 2022, wurde unsere Tochter Emöke Kamilla Nagy in ihrem Zimmer der Psychatrischen Klinik Haar auf grausame Weise ermordet.
Durch einen herumirrenden Patienten, den die Polizei in der Nacht zuvor zu seinem eigenen Schutz und zum Schutze anderer Menschen in die Klinik brachte.
Unsere Tochter war mit ihrer Krankheit auf einem guten Weg – sie wollte schon bald in eine freiere betreute Gemeinschaft wechseln.

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Kamilla und der Patient waren sich niemals begegnet, nur dieses eine – das letzte Mal. Warum er ausgerechnet Kamilla aussuchte und was in ihr vorging, als dieser fremde Mensch, immer und immer wieder, mit einer Eisenstange von hinten auf sie einschlug, ihren Kopf regelrecht zerschmetterte, danach einen Scheiterhaufen aus Matratzen und Kleidern über ihr errichtete, den er schließlich anzündete – wir wissen es nicht. Im Bann dieser Sinnlosigkeit weiterzuleben, ist für uns kaum möglich.
Was wir aber wissen, ist, dass dies nie hätte geschehen können, wenn die Klinik ernstgenommen und sich daran gehalten hätte, wovor die Polizisten gewarnt haben.
Die Klinik sollte ein Ort der Heilung sein, ein Ort, an dem psychisch kranke Menschen Schutz finden. Ganz bestimmt arbeiten dort viele Menschen, denen dies wichtig ist und die täglich ihr Bestes für ihre schutzbedürftigen Mitmenschen einbringen – sofern es ihnen denn möglich ist. An jenem Morgen wurde zwei Menschen der Schutz jedoch eindeutig verwehrt, unserer arglosen Tochter, und dem verwirrten Patienten, der unbemerkt zu ihrem Mörder werden konnte.
Schutz erfährt bis heute nur die Klinik selbst. Ein paar faktisch nüchterne Pressemeldungen verebbten bereits nach wenigen Wochen des Geschehens. Alles geht weiter, als wäre es nicht geschehen. Nicht mit einem einzigen Wort des Bedauerns, keinem Kondolenzschreiben zur Trauerfeier, geschweige denn mit einer Stellungnahme, mochte sich die Klinik an uns wenden. Auch vor Gericht wird die Strategie des „Zeit Vergehens” allmählich den Mantel des Vergessens über diese brutale und sinnlose Tat ausbreiten.
So stehen wir heute hier, noch immer fassungslos und geben Kamilla ein Gesicht, eine Stimme, denn sie hatte vieles zu sagen …

DER SINN
Wenn wir der Erfahrung durch das Leben mit Kamillas Krankheit und den Verlust ihres Lebens überhaupt einen Sinn geben können, dann ist es die Erkenntnis, die wir durch sie gewonnen haben und die wir, wie eine wichtige Botschaft, in die Welt hinausrufen wollen: Kamilla hat gelebt. Und sie hat das Leben geliebt.

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Leidenschaftlich und kreativ hat sie sich dem Kampf mit ihren Ängsten gestellt. So, wie wir das alle müssen. Ängste machen uns aus – der Umgang mit ihnen ist abhängig von all dem, was uns in der Jugend prägt – so fällt es dem einen leichter und der andere muss sich anstrengen, um mit seinen Ängsten zu leben. Oft genügt ein plötzlicher Auslöser, um in eine Lebenssituation zu geraten, in der man fortan unter der Last einer psychischen Erkrankung leidet. Meist gibt es hier keine Chance auf Heilung. Die Chance auf Hilfe dafür sehr.
Dass ein Mensch mit künstlichen Beinprothesen dennoch über sich selbst hinauswachsen kann, ist längst in unseren Köpfen angekommen. Aller Aufklärung zum Trotz, haben jedoch Menschen mit psychischen Erkrankungen auch heute noch mit den Folgen von Stigmatisierung zu kämpfen. Sie werden nicht gesehen, bekommen keinen Platz in unserer Mitte – keinen Wert. Sicher, das Spektrum psychischer Erkrankungen ist unendlich groß – oftmals ist ein Durchdringen zu Seele und Geist eines Menschen nicht möglich. Oft aber schon.
Menschen, wie Kamilla wünschen sich, nicht trotz – sondern mit ihrer Krankheit gesehen und geliebt zu werden. Mit der richtigen „Prothese” können auch sie ein erfülltes Leben haben. Nicht selten bestechen gerade diese Menschen durch eine hohe Sensibilität und höchst anspruchsvolle, nahezu philosophische Gedankengänge. Sie haben eine Menge zu geben, wenn man ihnen zuhört – bei ihnen und mit ihnen ist.
Verfasst von: Familie
 
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