Ilse Lierhaus war ausbildete Fürsorgerin und Kinderkrankenschwester. In ihren Unterlagen finden sich sogar noch Dienstzeugnisse aus dieser Zeit: Da werden der damals 21-jährigen „charakterliche Reife“, „soziales Verständnis“ und „in aufgeschlossen hilfsbereites Wesen“ attestiert. Und auch wenn Gott wohl keine Dienstzeugnisse verlangt und Menschen füreinander immer viel mehr sind, als in dieser formelhaften Zeugnissprache gesagt werden kann, am Ende sind das schon Einschätzungen, die auf sie sehr zutreffen.
Auf Neudeutsch möchte ich ergänzen: Sie war ein „social animal“ – damit ist ein Mensch gemeint, der tierisch kontaktfreudig und kontaktfähig ist. Sie hatte das Glück, sehr lange in einer Wohnung, an einem Ort, wohnen zu können. Eine Werkswohnung, wo Menschen nicht nur durch zufällige Nachbarschaft lose verbunden sind. Und ihr Wohnort, Pullach, war damals noch viel mehr Dorf, als heute. Sie hat dort sehr aktiv Kontakte gepflegt: Sie hat Kindern Leseunterricht gegeben, in einem Pflegezentrum gearbeitet, die Nachbarschaftshilfe unterstützt. Und das alles hat dazu geführt, dass sie am Ende auch viel Unterstützung erfahren hat und lange so leben konnte, wie sie es sich gewünscht hat: Nämlich selbständig und in den eigenen vier Wänden.
Die letzten vier Lebensjahre hat sie im Lore-Malsch-Haus verbracht. Das war keine Wunschlösung. Am Anfang wollte sie dort kein Bild aufhängen, weil sie ja eh bald wieder heimziehen wird. Dann hat sie sich aber doch „eingelebt“, will sagen: Ihren Frieden mit der neuen Situation gemacht. Dass um sie herum Menschen waren, das hat ihr spürbar gutgetan. Sie war selten in ihrem Zimmer, immer lieber auf dem Gang, immer lieber mit Menschen im Gespräch. Die Mitarbeitenden in der Pflege haben in der finalen Sterbephase ihre Zimmertür immer offengelassen: Einfach, dass sie hört und spürt, dass sie nicht allein ist…