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von Marco

Hoffnung wagen

Die letzte Phase eines langen Leidensweges steht unmittelbar bevor. Es zeichnete sich in den letzten Wochen ab, dass der Krebs unkontrolliert wächst und das Lebensende naht.

Ich habe mich bereit erklärt, die behördlichen Dinge zu regeln und muss dringend fünf Tage bis zur Hospizaufnahme überbrücken. Wo soll ich sie zwischenzeitlich nur unterbringen?
Meine Klientin hatte ein schweres Leben: Drogenabhängigkeit, Obdachlosigkeit - und nun diese furchtbare Krankheit! Ein Bild des Elends und der Hoffnungslosigkeit!
Ich kann das nicht entscheiden, ob wir die Frau aufnehmen", sagt mir die Mitarbeiterin der Patientenaufnahme eines Krankenhauses am Telefon. “In diesem besonderen Fall verbinde ich Sie mit unserer Oberärztin, die aber ganz sicher nicht begeistert sein wird. Da mache ich Ihnen wenig Hoffnung!” Während die Wartemelodie erklingt, stelle ich mich auf ein unangenehmes Gespräch mit einer Absage ein. Irgendwie passt dieses Telefonat zur unwürdigen Biografie der Klientin. Vielleicht sollte ich gleich auflegen.
Die Stimme der Oberärztin, die nach kurzer Zeit abhebt, klingt nett. “Eigentlich machen wir das nicht, aber schließlich sind wir auch dazu da, den Schwächsten unserer Gesellschaft zu helfen. Ich stimme einer sofortigen Aufnahme zu.
In scheinbar aussichtslosen Situationen auf unerwartete Hilfe und Mitmenschlichkeit zu hoffen, kann mit einer großen Enttäuschung enden. Aber ist die Hoffnung darauf ein Wagnis, das ich nicht eingehen kann?
Mich hat dieses Erlebnis in meinem Vertrauen gestärkt, dass Menschen sich anrühren lassen und einer fremden Not annehmen. Eine schöne Ermutigung!
Vier Tage nach der Aufnahme klingelt nachts um 3 Uhr mein Telefon. “Ihre Klientin ist soeben verstorben. Sie ist von ihrem Leid erlöst.
Sie wird bei Gott den Frieden finden, der ihr im Leben nicht vergönnt war.
Das wage ich zu hoffen!